Ab wann hat Protest strafrechtliche Auswirkungen? Immer mehr Menschen engagieren sich Öffentlichkeitswirksam gegen das »business as usual« und bringen ihre Stimme auf die Straße. Jeder kennt die Protestbewegungen von »Greenpeace«, »Fridays for Future«, »Letzte Generation«, »Extinction Rebellion (deutsch: Rebellion gegen das Aussterben)« um nur einige zu nennen. Für die einen ist es couragiert – für andere ist es Nötigung.
Beispiel Sitzblockade – vom Schutz durch das Grundgesetz zur Verurteilung durch das Strafrecht
In Artikel 8 des Grundgesetzes (GG) steht, dass alle Deutschen das Recht haben, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Der Staat kann diese Versammlungsfreiheit unter freiem Himmel beschränken. Friedliche Sitzblockaden fallen damit unter die Versammlungsfreiheit und sind durch das Grundgesetz geschützt. Allerdings unterliegt der friedliche Protest klaren Regelungen, so dass das Blockieren von öffentlicher Infrastruktur schnell zu einer Ordnungswidrigkeit oder einer strafrechtlichen Nötigung werden kann.
Ordnungswidrigkeit
Eine Sitzblockade muss nicht ausschließlich eine Demonstration des politischen Protests sein, sondern kann auch ein Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung sein, um auf Missstände hinzuweisen, wie zum Beispiel Sitzblockaden im Zuge von Gegendemonstrationen gegen Aufmärsche von rechter Gesinnung. Sitzblockaden jüngster Zeit erfahren vor allem einen Generationenwechsel. Viele junge Menschen sorgen sich um ihre Zukunft aufgrund des Artensterbens, der Landschaftsversiegelung oder aufgrund des an Stärke gewinnenden Klimawandels. Sie organisieren sich über die sozialen Medien und schaffen öffentliche Aufmerksamkeit durch Sitzblockaden auf Straßen, Flughäfen, in Braunkohle-Abbaustätten, u.a.
Die rechtliche Bewertung einer Sitzblockade ist immer von der Art und Weise abhängig, wie der Protest organisiert und durchgeführt wird. Die Sitzblockade kann vollständig legal sein, kann aber schnell zu einer Ordnungswidrigkeit oder sogar zu einer Straftat werden.
Wichtig in diesem Zusammenhang ist der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 07. März 2011 – 1 BvR 388/05 aus dem hervorgeht, dass eine Sitzblockade nicht immer automatisch als strafrechtliche Nötigung verstanden werden muss, da auch eine Sitzblockade eine durch das Grundgesetz geschützte Versammlung ist. Als eine Versammlung definiert das Bundesverfassungsgericht eine örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung. Diese Versammlungsfreiheit umfasst vielfältige Formen gemeinsamen Verhaltens – darunter auch Sitzblockaden.